Freies Stehen / Wildes Campen
Um unser WoMi herum sehen wir nur Bäume, grüne Büsche und prall gefüllte Heidelbeersträucher. Ein Stellplatz, wie wir ihn lieben. Fernab von den trubeligen Campingplätzen und mitten in der Natur. Die nette Dame am Infostand des Nationalparks hat uns den Tipp gegeben, dass man hier in den kleinen Waldlichtungen auch frei stehen darf - das "Jedermannsrecht" in Schweden macht es möglich. Also schnell die Tupperdosen zücken und auf zum Heidelbeerpflücken, denn das Abendbrot steht schnell fest: es gibt Heidelbeerpfannkuchen! Während Holger und ich die Ruhe beim Pflücken genießen, tobt Tim fröhlich singend durchs Unterholz. Dann ein freudiger Schrei und er kommt keuchend angestapft - im Schlepptau etwas, was er hinter sich herzieht. Beim näheren Betrachten stellt sich das "weiße Teil" als ein sehr gut erhaltener Knochen heraus - der Größe nach zu urteilen wahrscheinlich von einem Elch. An der ursprünglichen Fundstelle befinden sich noch weitere Knochen, die dem Aussehen zu Folge, schon recht lange hier liegen. Zum Glück ist das Interesse an dem Fund bald wieder geschwunden und nach fleißigem Händewaschen widmet sich auch Tim wieder den Heidelbeeren. Die Pfannkuchen sind längst vertilgt, die Sonne ist schon länger untergegangen und da es sowieso nicht wirklich dunkel wird, sorgt die nötige Bettschwere irgendwann dafür, dass auch wir schlafen gehen. Bei der Stille hier sollte dies ja kein Problem sein, könnte man denken. Doch da habe ich die Rechnung ohne das Kopfkino gemacht. Ein Knacken im Gebüsch hier, ein Rauschen in den Bäumen da,….. war da nicht ein seltsames Geräusch? In meinem Kopf spielte die Fantasie verrückt. Elche sind ja nicht gerade klein, was für ein Tier muss hier wohl rumlaufen, das einen Elch tötet? Und wir sind hier ganz alleine auf der Lichtung,…. Meine Gedanken spielten verrückt und gefühlt habe ich in dieser Nacht kein Auge zugemacht, obwohl wir auf einem der idyllischsten Plätze der Reise standen. Tja, Natur pur hat auch ihre Tücken.
Auf die Idee, dass das Tier einfach verletzt war und hier so verendet ist, bin ich damals nicht gekommen. Der Gedanke kam mir erst Jahre später, als in Norwegen ein halb verwester Kadaver eines Elches, der sich anscheinend bei einem Sturz die Beine gebrochen hatte, auf unserem Wanderweg lag.
Wie schon mehrfach erwähnt, mögen wir gerne schön gelegene Übernachtungsplätze in der Natur. Mit WoMi sind wir schließlich für ein paar Tage autark und mit Allrad hoffen wir, hier auch noch viel mehr tolle Flecken erreichen zu können. Doch "wilde Campen" ist in Europa leider mittlerweile nur noch in wenigen Ländern erlaubt und wird auch da, wo die Erlaubnis hierzu sogar rechtlich verankert ist, immer mehr eingeschränkt. Ganz ehrlich gesagt sind wir WoMi-Fahrer hieran oft selber schuld, denn leider hinterlassen viele ihren Müll da, wo sie gerade waren bzw. entsorgen illegal ihre Grau- und Schwarzwassertanks in der Natur. Das muss doch nicht sein! Zum einen ist es schädlich für die Natur und zum Anderen schwinden die schönen Plätze immer mehr.
Unter "wildem Campen" verstehen wir das Übernachten außerhalb der ausgewiesenen Stell- und Campingplätze in der freien Natur bzw. im öffentlichen Raum.
Daher denkt bitte an folgende "Regeln", wenn Ihr - wo erlaubt - wild campt:
Nehmt Euren Müll mit und hinterlasst den Platz (mindestens) so sauber, wie Ihr ihn vorgefunden habt.
Lasst Grau- und Schwarzwasser im Tank und entsorgt es an den hierfür vorgesehenen Stationen.
Macht nicht zu viel Lärm, um Tiere und Anwohner nicht zu stören.
Achtet auf eventuelle Waldbrandstufen und aktuelle Regeln für offenes Feuer - im Zweifelsfall im Camper kochen oder essen gehen und damit die lokale Wirtschaft etwas unterstützen.
Was wildes Campen anbelangt, so ist man hierfür in Skandinavien am besten aufgehoben. In Norwegen, Schweden und Finnland gibt es das "Allemannsrätt", das Jedermannsrecht, das einem die Übernachtung in der Natur gestattet, wo es nicht ausdrücklich verboten ist bzw. wo man kein Privateigentum verletzt.
Prinzipiell ist dieses Recht für die Übernachtung im Zelt gedacht, kann allerdings auch für WoMis angewendet werden. Hierbei sollte man allerdings trotzdem genau auf die Hinweisschilder achten, denn in einigen Regionen dürfen WoMis nur auf gekennzeichneten Flächen abgestellt werden. Was das Feuer machen anbelangt, so solltet Ihr Euch vorher gut erkundigen, denn viele Regionen schränken dies gerade in trockenen Sommern erheblich ein. Im Zweifelsfall lieber im Camper drinnen kochen.
Dänemark zählt zwar auch zu Skandinavien, hier ist das wilde campen allerdings gesetzlich verboten und selbst das Abstellen und Parken von WoMis ist auf Parkplätzen teilweise zeitlich stark begrenzt bis ganz verboten. Hier ist man stark von der örtlichen Polizei abhängig und es werden u.U. auch hohe Bußgelder verhängt. Daher lieber auf öffentliche Stellplätze bzw. private Stell- und Campingplätze ausweichen.
Tipp: Viele Campingplätze bieten "Quick-Stop" an. D.h., der Zeitraum für die Übernachtung ist von später am Abend bis morgens früh eingeschränkt, dafür darf man dann allerdings zu teilweise attraktiven Preisen auch campen, steht meistens allerdings auch vor der Schranke. Für Wassersportler, die sich den Tag über meistens an den lokalen Spots aufhalten, ist dies allerdings eine attraktive Möglichkeit der Übernachtung ohne Risiko.
Auch in den Baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen) sowie in Schottland steht man rechtlich gesehen dem Übernachten in freier Natur aufgeschlossen gegenüber. Auch hier ist es dort, wo es nicht ausgesprochen verboten ist, grundsätzlich erlaubt.
In den restlichen europäischen Ländern - wie auch in Deutschland - ist wildes campen i.d.R. verboten. Gerade in Wäldern, Naturschutzgebieten oder an Stränden wird hier sehr stark darauf geachtet, auf Parkplätzen und auch außerhalb der Saison wird es durchaus auch mal toleriert. D.h., hier ist man entsprechend seinem Verhalten von dem guten Willen der Anwohner und der örtlichen Polizei abhängig.
Wie in Deutschland gilt in allen europäischen Ländern allerdings die Regelung, dass man auf Park- und Rastplätzen zur "Widerherstellung der Fahrtüchtigkeit" übernachten darf, sofern dies nicht ausdrücklich verboten ist. Heißt aber auch, dass keinerlei Tische und Stühle aufgebaut werden dürfen und es gilt nur für einen Tag. Dies ist sicherlich eine gewisse Grauzone, die man allerdings nicht ausreizen sollte. Es ist durchaus schwierig nachzuweisen, ob man morgens angehalten hat, um eine Frühstückspause einzulegen oder die ganze Nacht vor Ort verbracht hat. Allerdings diskutiert die örtliche Polizei im Zweifelsfall nicht lange und die Beweispflicht liegt dann bei uns.
Auch die Verletzung der Privatsphäre wird oftmals hart geahndet und die Übernachtung auf privatem Grund ohne ausdrückliche Genehmigung des Eigentümers gilt als Hausfriedensbruch. Doch wenn man die Genehmigung des Eigentümers hat, dann steht der Übernachtung in freier Natur nichts im Wege.
Gerade landwirtschaftliche Betriebe in Europa haben den WoMi-Tourismus für sich entdeckt, so dass es immer mehr legale Übernachtungsplätze auf privatem Grund gibt, die einem ein "landschaftlich reizvolles Stehen" ermöglichen. Je nach Konzept entweder grundsätzlich gebührenpflichtig oder kostenlos mit der Erwartungshaltung, dass man die angebotenen Produkte käuflich erwirbt. Dies ist von der Definition her kein "wildes Campen", eher ein "freies stehen" und entspricht damit auch der eigentlichen Intention: abseits der Massen in landschaftlich reizvoller Natur zu übernachten. Allerdings legal und ohne das Risiko, eine Geldstrafe zu kassieren.
Derartige Konzepte gibt es in folgenden Ländern:
Deutschland: Landvergnügen (https://landvergnuegen.com/)
Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Katalog mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. Voranmeldung erwünscht. Es ist nur ein gewisses Kontingent an Vignetten verfügbar.
Frankreich: France Passion (https://www.france-passion.com/de/)
Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag, wenn man anständig fragt, hat uns noch niemand weitere Nächte verwährt. France Passion ist der Vorreiter dieser Art des Reisens und verfügt daher über das dichteste Netz an Partnerbetrieben in Europa.
Spanien: España Discovery (https://espana-discovery.es/de)
Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Das Programm hat regional mit Winzern begonnen und ist mittlerweile auch durch andere Betriebe und landesweit vertreten.
Italien: Agricamper Italia (https://www.agricamper-italia.com/de/)
Man erwirbt eine Jahresvignette und einen App-Zugang mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Ca. 270 Partnerbetriebe in ganz Italien.
Österreich: Bauernleben (https://www.bauernleben.at/)
Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Limitierte Auflage.
Schweiz: Swiss Terroire (https://swissterroir.ch/de/home/)
Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag.
Dänemark: Pintrip (https://pintrip.eu/)
Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell ca 300 Betriebe über ganz Dänemark verteilt.
Norwegen: Nortrip (https://nortrip.no/de/)
Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell 150 Betriebe über ganz Norwegen verstreut.
Schweden: Swede Stops (https://swedestops.eu/)
Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell 100 Betriebe über ganz Schweden verstreut. Noch relativ am Anfang.
Großbritannien/Irland: Brit Stops (https://www.britstops.com)
Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Da das Stellplatznetz in Großbritannien und Irland nicht so gut ausgebaut ist, wie auf dem europäischen Kontinent, ist dieses Programm eine doppelt reizvolle Möglichkeit, in toller Natur zu übernachten.