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Den Lieblingsprodukten entgegen

Puh, die letzten Meter waren anstrengend. Auch wenn der Radweg entlang einer ehemaligen Bahnstecke verlief und damit einiger Maßen eben war, so sind wir doch recht weit geradelt und waren froh, wieder zurück am WoMi zu sein. Während Holger die Fahrräder wieder auf den Radträger hiefte, bestrich ich schnell ein paar Cracker mit Tapenade und füllte kühle Getränke ein. Ein kleiner Snack am Parkplatz, wo man den Schildern zu Folge auch übernachten durfte. Nicht hübsch, aber praktisch nach einer ausgiebigen Radtour. Neben uns stand eine andere Familie, die ebenfalls geradelt ist und die Nacht hier verbringen wollte. Da hielt eine Dame an und fragte, ob wir denn "France Passion" kennen würden. Bei ihr könne man auch stehen, das sei landschaftlich gesehen etwas netter. Zumindest habe ich das so verstanden und übersetzt. Da mussten wir nicht lange überlegen, haben schnell zusammen gepackt und sind ihr gefolgt. Es war nicht wirklich weit, aber schön auf der Wiese oben am Berg mit Blick ins Tal. Wir unterhielten uns mit den Stellplatznachbarn und wunderten uns über die Geräusche, die aus dem "Schrank", der da unweit der WoMis stand, rauskamen. Und was wurde hier eigentlich angebaut? So ganz schlüssig war das nicht und die Antwort auf die Nachfrage haben wir auch nicht verstanden. Also wurden wir zum "Schrank" geführt und blickten im Inneren kleinen Hühnern in die Augen. Die waren mindestens genauso groß wie unsere vor Erstaunen und so langsam dämmerte es uns. Dies war eine Wachtelzucht! Ein paar Google-Einheiten und Diskussionen später haben wir und unsere Nachbarn je 2 der kleinen Tiere erworben und im Backofen der WoMis (zum Glück hatten wir beide einen) entsprechend der gefundenen Rezepte und Bordmittel zubereitet. Gemeinsam wurden sie dann mit tollem Blick aufs Tal und einem Glas Wein vom vorherigen Weingut verspeist - ein genialer Tagesausklang, den keiner von uns beiden Familien am Morgen noch erwartet hätte.

Dies war zwar ein recht unverhofftes Erlebnis, doch vom Prinzip her haben wir hiervon durchaus einige auf unseren Reisen. Denn die Alternative zu den Stell- und Campingplätzen sind Übernachtungsmöglichkeiten bei landwirtschaftlichen Betrieben. Hier steht man quasi "ruhig" oder auch mit Anschluss abseits der Touristenpfade, kann regionale Spezialitäten probieren oder noch einiges über deren Produktion lernen. Egal ob beim Winzer, der Ölmühle, der Käserei, dem Angorahasenzüchter oder direkt neben den Austernaufzuchtbecken. Wir haben schon an vielen außergewöhnlichen Orten übernachtet und unterhaltsame und leckere Abende verbracht.


Das Prinzip ist relativ einfach: landwirtschaftliche Betriebe eines Landes tun sich mit einem Verlag zusammen und erhalten gegen eine jährliche Gebühr Werbung im Gastgeberverzeichnis und Werbematerial, mit dem sie auf sich aufmerksam machen können. Der Verlag wiederum vermarktet das Gastgeberverzeichnis, mittlerweile auch App-basiert, und verkauft europaweit Vignetten an Wohnmobilisten. Die Wohnmobilisten erwerben die Vignette und das Verzeichnis und können so kostenlos für eine Nacht bei den jeweiligen Betrieben stehen. Es ist keine Pflicht, auch etwas zu kaufen, allerdings ist dies Sinn und Zweck, weshalb die Betriebe das anbieten und von daher sollte man durchaus auch eine Kleinigkeit für die Gastfreundschaftlichkeit erwerben.


Zielgruppe sind ausschließlich WoMis, da die Betriebe i.d.R. keine Infrastruktur wie V+E, Wasser und Sanitär vorhalten. Es sind ja keine Campingplätze. Ausnahmen bestätigen die Regel und so kann man gelegentlich auch mal Wasser oder Strom erhalten, wenn es nötig ist - je nachdem halt gegen eine kleine Gebühr.


France Passion in Frankreich war Vorreiter dieser Idee und ist auch nach wie vor mit dem größten Netz an Gastgebern vertreten. Doch mittlerweile ziehen auch andere europäische Länder nach, so dass man auch hier abseits der Pfade gelockt wird.


A und O ist Freundlichkeit und Höflichkeit, denn nur so funktioniert das Ganze. Also ein "Hallo" zur Begrüßung und ein freundliches "Tschüß und Danke" bei Abreise - kein heimliches Verschwinden, auch wenn man mal nichts gekauft hat. Es ist einem keiner Böse. Der Platz wird sauber hinterlassen und auch während des Aufenthaltes verhält man sich "normal" und nicht übermäßig laut. Gerätschaften und Einrichtungen des Gastgebers benutzt man nur nach Nachfrage und auch bevor der Grill angeschmissen wird, fragt man vorher höflich nach. Viele Gastgeber freuen sich, den Touristen etwas über ihren Arbeitsalltag zu erzählen und die Produkte probieren zu lassen und im Gegenzug etwas über sie und ihr Land zu erfahren. Neben dem Genuss an sich kann man hier auch immer wieder etwas neues erfahren und lernen. Reisen bildet halt auch in kulinarischer Hinsicht.


"Wildes Campen" ist mittlerweile in fast allen europäischen Staaten verboten. Ausnahmen findet man nur noch in Skandinavien, den baltischen Staaten und Schottland - heut zu Tage leider auch mit immer mehr Einschränkungen. Von daher bietet dieses Konzept die legale Möglichkeit, abseits der Touristenpfade an landschaftlich reizvollen Plätzen zu übernachten.


Dies sind die uns bis dato bekannten Angebote:


Deutschland: Landvergnügen (https://landvergnuegen.com/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Katalog mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. Voranmeldung erwünscht. Es ist nur ein gewisses Kontingent an Vignetten verfügbar.


Frankreich: France Passion (https://www.france-passion.com/de/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag, wenn man anständig fragt, hat uns noch niemand weitere Nächte verwehrt. France Passion ist der Vorreiter dieser Art des Reisens und verfügt daher mit 2.100 Partnerbetrieben über das dichteste Netz in Europa. Es erfolgt keine automatische Verlängerung, die Vignette für das Folgejahr kann allerdings zu Vorzugskonditionen erworben werden.


Spanien: España Discovery (https://espana-discovery.es/de)

Man erwirbt eine Jahresvignette (April-April) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Das Programm hat regional mit Winzern begonnen und ist mittlerweile auch durch andere Betriebe und landesweit vertreten. Keine automatische Verlängerung der Vignette.


Italien: Agricamper Italia (https://www.agricamper-italia.com/de/)

Man erwirbt eine Jahresvignette, die 12 Monate ab Kaufdatum gültig ist und einen App-Zugang mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Ca. 270 Partnerbetriebe in ganz Italien. Keine automatische Verlängerung der Vignette.


Österreich: Bauernleben (https://www.bauernleben.at/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Limitierte Auflage.


Schweiz: Swiss Terroire (https://swissterroir.ch/de/home/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Achtung: dies ist ein Abo, das sich jährlich automatisch verlängert, sofern es nicht rechtzeitig gekündigt wird! Also an die Kündigung denken.


Dänemark: Pintrip (https://pintrip.eu/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (Kalenderjahr) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell ca 300 Betriebe über ganz Dänemark verteilt.


Norwegen: Nortrip (https://nortrip.no/de/)

Man erwirbt eine Jahresvignette (März-März) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe (auch App verfügbar), wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell 150 Betriebe über ganz Norwegen verstreut.


Schweden: Swede Stops (https://swedestops.eu/)

Man erwirbt eine Jahresvignette und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Aktuell 100 Betriebe über ganz Schweden verstreut. Noch relativ am Anfang.


Großbritannien/Irland: Brit Stops (https://www.britstops.com)

Man erwirbt eine Jahresvignette (Feb-Feb) und erhält einen Etappenführer mit der Übersicht der angeschlossenen Partnerbetriebe, wo man dann übernachten kann. I.d.R. für einen Tag. Da das Stellplatznetz in Großbritannien und Irland nicht so gut ausgebaut ist, wie auf dem europäischen Kontinent, ist dieses Programm eine doppelt reizvolle Möglichkeit, in toller Natur zu übernachten.



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