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Der Osterräderlauf in Lügde

Alljährlich an Ostern treffen sich in vielen Dörfern und Städten Deutschlands Einheimische und Touristen an großen Osterfeuern bei Musik, Speis und Trank, um gemeinsam zu feiern. Diese öffentlichen Osterfeuer, die behutsam über einen längeren Zeitraum zusammengetragen und gestapelt wurden, so dass sie möglichst lange brennen, beruhen auf einer weit ins Mittelalter zurückgehenden Tradition der Freudenfeuer, mit denen der Winter mit seiner lang andauernden Kälte und Dunkelheit endlich vertrieben werden soll, um den Frühling mit wärmerer Luft und vor allem wieder Licht zu begrüßen.

In der Regel werden die Osterfeuer in der Nacht von Samstag auf Ostersonntag entfacht, es gibt auch Gemeinden, wo dies am Ostersonntag stattfindet. Wenn man am Osterwochenende auf den Autobahnen oder Landstraßen unterwegs ist, zieht meist ein leichter Nebel und ein Brandgeruch übers Land. Unternimmt man auf den Flüssen eine Bootstour, so sieht man die Feuer entlang der Küste flackern. Egal wie warm, kalt, sonnig oder regnerisch es ist, die Osterfeuer schaffen es immer wieder, ein wenig Gänsehautfeeling zu erzeugen.

Dies ist der Klassiker, den die meisten von uns kennen und sicherlich bei der ein oder anderen WoMi-Tour bereits an unterschiedlichen Stellen miterlebt haben. Eine ganz besonderes und vor allem spektakuläres Brauchtum bildet der Osterräderlauf in Lügde (bei Bad Pyrmont), der übrigens einzigartig in Deutschland ist.

 

Hier werden zusätzlich zum klassischen Osterfeuer am Ostersonntag bei Einbruch der Dunkelheit - gegen 21:00 Uhr - 6 brennende Räder vom Osterberg ins Tal hinabgerollt. Jedes Rad legt hierbei eine Strecke von ca. 625m zurück und brennt ca. 1 Minute lang. Der Brauch geht weit ins Mittelalter zurück und wird vom Dechenverein - den Hütern der Tradition - ausgerichtet. Er ist auch seit 2012 im Verzeichnis der UNESCO als "Immaterielles Kulturerbe des Landes Nordrhein-Westfalen" verzeichnet.

 

Ein Osterrad ist 1,70m hoch, besteht aus 4 Lagen Eichenholz mit einer Breite von ca. 30cm und wiegt ca. 280kg. Das Jahr über lagern die Räder, von denen jedes mit einer Innschrift versehen ist, in einer Scheune. Am Montag vor Ostersonntag werden sie dann rausgeholt, aneinander gekettet in die Emmer gelegt und verweilen dort bis Ostersonntag, um sich ordentlich mit Wasser vollzusaugen. Damit wird verhindert, dass die Räder selbst in Flammen aufgehen und hierdurch mehrfach genutzt werden können. Es ist hohe Kunst beim ins Wasser lassen, das Rad so anzuschubsen, dass die Innschrift oben liegt und für alle Betrachter gut lesbar ist. Es gibt nur einen Versuch, gewendet werden kann nicht.

 

Am Gründonnerstag treffen sich die Dechen in der Scheune und drehen fleißig Haselnussruten, die zur Fixierung des ebenfalls eigens vom Dechenverein angebauten Roggen-Strohs benutzt werden. Eine sehr aufwändige Arbeit, die sich allerdings lohnt. Denn der Erfahrung zu Folge hält diese natürliche Variante der Befestigung besser als jeder Draht, der bei der enormen Hitzeentwicklung verglühen kann. Auch das Stroh ist besonders lang und wird in einem besonderen Verfahren eingeholt - es soll ja den kompletten Weg runter brennen und nicht auf halbem Wege ausgehen.

 

Der Emmerauenpark ist ab Freitag Partymeile. Wie auf einer Kirmes sorgen Essens- und Getränkebuden sowie Fahrgeschäfte für die Unterhaltung und das leibliche Wohl von Groß und Klein. Gerade am Samstagabend und Sonntag herrscht hier dichtes Gedrängel.

 

Am Ostersamstag gegen 17:00 Uhr werden die Räder von den Mitgliedern des Dechenvereins unter dem Blick und Jubel der Zuschauer an den Ketten mit Muskelkraft herausgezogen, abgespritzt und gesäubert und dann ebenfalls mit Hilfe von langen Stöckern auf einen Anhänger verladen. Der Tradition entsprechend ebenfalls mit purer Muskelkraft und Stapeltechnik. Anschließend wird der alte Trecker vorgespannt und mit Spielmannszug vorne weg und Zuschauern hinter her ziehen die Dechen stolz mit ihren Rädern durch die Stadt, wo der Wagen dann geschmückt auf dem Marktplatz zur Schau gestellt wird.

 

Auf dem Marktplatz selbst beginnt dann am Sonntagvormittag das Veranstaltungsprogramm, das mit dem Aufmarsch der Lügder Blaskapelle eröffnet wird. Mit musikalischer Begleitung und  mit Hilfe von Pferden und dem Trekker werden die Räder sowie das eigens hierfür von den Dechen angebaute lange Roggen-Stroh und die noch sehr wichtige kleine Kanone im Rahmen eines Umzuges durch die Altstadt gezogen und auf den Osterberg gebracht.  Als erstes wird die Kanone aufgebaut und alle Beteiligten mit 3 Kanonenschüssen begrüßt. Nach einer kurzen Ansprache wird in jedes Rad ein ca. 4,5m langer dünner Buchenstamm zur Stabilisierung geschoben und mit Holzkeilen befestigt. Anschließend beginnen die Dechen das Stroh mit Hilfe der Haselnussruten in mühsamer Handarbeit und Flechttechnik in die Räder zu stopfen. Die Stopf- und Flechttechnik spielt hierbei eine sehr große Rollen, denn sie ist im Endeffekt neben der Präparation der "Piste" entscheidend dafür, wie gerade und wie lange die Räder den Osterberg hinunter rollen.

 

Jedes fertiggestellte Rad wird ebenfalls mit 3 Kanonenschüssen und reichlich Applaus "begrüßt". Damit können sowohl Anwohner als auch die Gäste im Emmerauenpark stets mitverfolgen, wie weit die Vorbereitungen gediehen sind. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung, alle sind in Feierlaune und bei Einbruch der Dunkelheit ist es dann soweit. Das große aufgeschichtete Osterfeuer auf dem Osterberg wird entfacht, das aufgestellte Kreuz ist angestrahlt und im Halbstundentakt kündigen Kanonenschüsse das bevorstehende Highlight an.  Gegen 21:00 Uhr wir erst ein kurzes Feuerwerk gezündet und dann ertönt der lang erwartete Böllerschuss, der den Lauf des ersten Osterrades ankündigt. Unter dem Blick der zahlreichen Zuschauer (über 30.000), die sich hinter der Absperrung entlang der "Rollstrecke" und vor allem unten im Tal positioniert haben, werden die Räder angezündet und rollen unter Raunen und Jubel den Osterberg hinab.  Jedes Rad rollt für sich und ein jedes zieht eine Feuerschneisse hinter sich her. Sie sehen wie kleine Sonnen aus, die vom Himmel gefallen sind, die Dunkelheit zerschneiden und für das lang ersehnte Licht sorgen. Jeder fiebert mit, ob das Rad wohl nach der ersten Klippe gerade herunter rollt oder eher in eine der seitlichen Begrenzungen einschlägt. Je nachdem, wo das Rad landet und wie sehr es noch lodert, dauert es unterschiedlich lange, bis das nächste Rad starten kann. Die Dechen und die Feuerwehr ziehen mit langen Stöcken mit Zacken vorne dran das brennende Stroh aus den Rädern, damit sie nicht verbrennen und löschen das Feuer. Die Feuerwehr überprüft nochmals den Hang und die Absperrungen und dann kann es weiter gehen. Wenn ein Rad relativ gerade den Hang runtersaust, hat man unten im Tal vor dem Zaun das Gefühl, dass es gleich auf einen zugerollt kommt. Aber zum Glück ist mit einem Graben, der genau das verhindert, vorgesorgt.

 

Im Anschluss an diesen beeindruckenden Brauch wird noch ein spektakuläres Feuerwerk gezündet und fleißig weitergefeiert. Im Emmerauenpark gibt es eine Zeltdisko, die bis in die Nacht für Stimmung sorgt.

 

Ein wirklich beeindruckendes Spektakel für alle Einwohner und Touristen und auch ein kleiner Ausblick für die Landwirte. Denn je länger die Räder rollen und je "erfolgreicher" der Räderlauf war, um so ertragreicher soll die Ernte des kommenden Jahres ausfallen.

 

Wir sind extra nach Lügde gefahren, um diesen Brauch einmal mitzuerleben, haben ab Samstag alles begleitet und sind hellauf begeistert. Ich finde es super, dass sich eine derartige Tradition seit nunmehr über 100 Jahren von Generation zu Generation weiterträgt und auch heute noch - wo ja die technischen Hilfsmittel da wären - dem Brauchtum zu Folge mit den traditionellen Materialien und reiner Muskelkraft vollzogen wird. Es ist eine Freude zuzuschauen, mit welchem Elan und welcher Begeisterung die Dechen ihre Räder "vor- und zubereiten", mit welchem Stolz durch den Ort gezogen wird und wie viele Familienmitglieder und Anwohner ehrenamtlich am Rande mit helfen. Es gibt diverse Sicherheitsauflagen, die erfüllt und finanziert werden müssen. Daher ist die Stadt am Sonntag komplett abgesperrt und Veranstaltungszone mit Eintritt - zu Recht. Schulparkplatz, Straßenzüge, etc. werden zu Parkplätzen umfunktioniert und der Verkehr entsprechend geregelt. Für WoMis empfiehlt sich der Parkplatz an der Tennisanlage und bei der Johannes-Gigas-Schule. Vans, deren Besitzer den steilen Aufstieg nicht scheuen, können auch oben auf dem Wanderparkplatz auf dem Kirchberg stehen und übernachten (ca. 10 Parkplätze).

 

Was den Standplatz für das Genießen dieses Spektakels anbelangt, gibt es mehrere Möglichkeiten. Den besten Blick auf das Gesamtspektakel - mit den eigenen Augen - hat man entweder gleich unten am Hang bei den Bierbuden oder von der Brücke aus. Denn hier hat man den gesamten Osterberg im Blick, sieht das Osterfeuer und die rollenden Räder vom Entzünden bis zum Einschlag. Mit guter Fotoausrüstung bekommt man von hier evtl. auch das ein oder andere gute Foto oder Videoaufnahme hin. Mit Handy wird es aufgrund der Entfernung eher schwierig.

Wenn man den Feuerball an sich und das Entfachen der Räder sehen und evtl. auch ein paar brauchbare Fotos machen möchte, dann ist der Platz oben auf dem Osterberg sicherlich die bessere Position.

Beim ersten Mal würde ich mich auf jeden Fall unten positionieren - eigentlich ist man ja wegen dem Räderlauf und nicht der Fotos hier. Beim nächsten Mal kann man dann oben Platz einnehmen und das Ganze aus nächster Nähe miterleben. Wir haben uns auf Empfehlung der Dechen, mit denen wir gesprochen haben, unten positioniert und waren sehr glücklich darüber. Auch wenn ich leider keine tollen Feuerbilder aufweisen kann. Aber im Internet gibt es reichlich, um sich ein Bild davon zu machen und ich denke, dies wird nicht unser einziger Osterräderlauf bleiben.

 

Ein großes Dankeschön an den Dechenverein und alle helfenden Hände für den Erhalt dieser wirklich ausgesprochen schönen Zeremonie und Tradition. Mehr Infos auf: https://www.osterraederlauf.de/ und hier unser Zusammenschnitt aus 2024




 

Als Mitbringsel empfehlen wir das "Lügder Osterfeuer". Ein nach eigener Rezeptur für den Dechenverein zubereiteter Kräuterschnaps, der an den Veranstaltungstagen direkt im Dechentreff bei der Brücke oder sonst in den lokalen Geschäften erworben werden kann. Wichtig: vor dem Trinken stets ein "Gut Lauf" ausrufen - der Tradition wegen.

 

 





Lügde hat jedoch noch mehr zu bieten, als nur den Osterräderlauf. Es liegt landschaftlich sehr schön zwischen dem Teutoburger Wald und dem Weserbergland, ist eine hübsche alte Stadt, die noch immer von einer intakten Stadtmauer umgeben ist und gehört zur "Deutschen Märchenstraße". Ob die Gebrüder Grimm wirklich mal da waren oder sich nur inspirieren lassen haben, weiß man nicht so genau. Allerdings wird der Ursprung Ihrer Sagen "Die Springwurzel" und "Der Köterberg" Lügde zugeschrieben.   https://www.sagen.at/texte/sagen/grimm/diespringwurzel.html      https://www.sagen.at/texte/sagen/grimm/derkoeterberg.html

 

Die Altstadt besteht aus vielen historischen und sehr gut erhaltenen Fachwerkhäusern, entlang der Stadtmauer und den Wallanlagen kann man noch 2 alte Wehrtürme bewundern und die Kilianskirche zählt zu den ältesten Kirchen Deutschlands. Beim Bummel durch die Gassen versprüht Lügde Mittelalterfeeling pur. Auch das Kloster Falkenhagen mit dem ältesten Fachwerkhaus Lippes, das Schloss Lügde, der Emmerauenpark mit Strand, Bademöglichkeit und Spielplatz, die Storchenstation und 1.000 jährige Linde im benachbarten Elbrinxen sowie das Hermannsdenkmal in Detmold sind beliebte Ausflugsziele.

 

Auch Wander- und Radfahrbegeisterte kommen hier auf dem weit ausgebauten ca. 120km langen Wander- und Radwegenetz voll auf ihre Kosten. Beliebt sind der Lüdger Mythenweg entlang von sagenumworbenen Schauplätzen und der Emmer-Radweg entlang des Flusses mit vielen tollen Landschaftseindrücken. Auch eine Wanderung auf den Köterberg lohnt sich - hier hat man einen genialen Ausblick auf die Umgebung. Die Touristen-Info im Rathaus auf dem Marktplatz hält umfängliches Material vor - außerhalb der Öffnungszeiten auch vor der Tür.

 

 

WoMi Stellplätze vor Ort und in der näheren Umgebung:

 

WoMi Stellplatz an den Tennisplätzen, Höxterstraße 1, 32676 Lügde (nur 6 Stellplätze, max. 3 Tage Aufenthalt)

Am Oster-WE auch der Wanderparkplatz auf dem Kirchberg und bei der Johannes-Gigas-Schule - ohne Begrenzungen

 

Wohnmobilhafen am Schiedersee, Kronenbruch 3, 32816 Schieder-Schwalenberg

 

Reisemobilhafen in den Emmerauen, Hauptmann Bölke Weg, 31812 Bad Pyrmont

(In der Kurtaxe, die mit der Stellplatzgebühr anfällt, sind einige Eintritte wie z.B. 1,5Std. in die Therme und das Museum in Bad Pyrmont enthalten)

 

Stellplatz beim Ferienpark Teutoburger Wald, Badeanstaltsweg, 32683 Barntrup

 

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